Das Historische Bräuteln zu Sigmaringen
Das Historische Bräuteln wird in seiner jetzigen Form seit mehr als drei Jahrhunderten gepflegt und ist der Höhepunkt der Semmerenger Fasnet.
Ein wahrhaft köstlicher Brauch, wissenschaftlich ausgedrückt: ein „Heischebrauch“. Frischgebackene Ehemänner werden von den – ledigen – Bräutlingsgesellen auf einer Stange um den Marktbrunnen getragen und werfen dabei Brezeln, Würstle und natürlich allerlei Süßigkeiten aus. Auch Ehejubilare und verheiratete Zugezogene sind herzlich eingeladen, sich bräuteln zu lassen. Wer nicht möchte, kann sich freikaufen; ein wichtiger Hinweis in der Erforschung des Brauches, wie gleich zu zeigen sein wird.
Wie bei derart alten Bräuchen eher die Regel denn die Ausnahme, liegt die Entstehung auch hier im Unklaren.
Der älteste greifbare Nachweis des Bräutelns liegt in einer Beilage zur Renteirechnung aus dem Jahre 1723, die sich im Fürstlichen Archiv findet:
„9. Februar 1723, zufolge gnädigsten Befehl denen jungen Gesellen allhier vor die gewöhnliche Aus Kaufung des Bronnen Tragens, 4 Gulden, 10 Kreutzer.”
Der damalige Fürst Joseph von Hohenzollern-Sigmaringen hatte sich am 20. Mai 1722 mit Maria Franziska Gräfin zu Oettingen-Spielberg vermählt und kaufte sich an der darauffolgenden Fasnet vom Bräuteln frei.
Dieser Freikauf lässt darauf schließen, dass es eine schon länger bestehende Tradition war, dass Hochzeiter sich freikaufen konnten – mehr aber noch, dass das Bräuteln selbst bereits damals ein seit langer Zeit geübter Brauch war, den auch das Fürstenhaus als selbstverständlich akzeptierte.
Die Forschungen zum Thema zeigen, dass der Brauch in engem Zusammenhang mit der Erlangung des Bürgerrechts zu sehen ist. Die jungen Einheimischen erhielten dieses nicht automatisch, sondern mussten zunächst nachweisen, wirtschaftlich in der Lage zu sein, eine Familie zu unterhalten. Dies gelang etwa durch Erlangung des Meistertitels und Aufnahme in eine der Handwerkerzünfte. Dies wiederum war Voraussetzung für die Eheschließung. Als dritter Schritt winkte dann das Bürgerrecht, zu dessen Erlangung die jungen Burschen der Stadt ihre Kameraden ordentlich – und zunehmend auch sehr wild – feierten und gleichsam aus ihrem Kreise in den der Stadtbürger verabschiedeten. Dabei verwundert es nicht, dass die gesellschaftlich Aufgestiegenen sich regelmäßig in der Donau wiederfanden.
Dieser grobe Brauch wurde schließlich von Fürst Meinrad in einer Verordnung vom Februar 1672 verboten. Mit einiger Wahrscheinlichkeit bildet dieses Verbot den Übergang zur heutigen Form. Jedenfalls feierten die Sigmaringer 1872 eine 200-Jahrfeier ihres Bräutelns.
Die Nähe dieses Übergangsbrauches zur Fasnet erklärt sich wiederum damit, dass diese seit jeher ein beliebter Hochzeitstermin war – vor der Fastenzeit mit ihren in fleischlichen Entsagungen in jeder Hinsicht.
Die Sache mit dem “Schweda-Kriag”
Neben dieser volkskundlichen Erklärung existiert auch eine weitere – wissenschaftlich zwar nicht belastbar, aber schön zu erzählen. Daher soll sie hier ebenfalls erwähnt werden. Danach sei das Bräuteln nach dem 30-jährigen Krieg entstanden. Die jungen Leute hätten angesichts der allgemeinen Not die Lust am Heiraten verloren. Als sich schließlich doch einer der jungen Burschen traute, hätten ihm seine Kameraden versprochen, ihn an der Fasnet auf einer Stange unter Trommeln und Pfeifen um den Marktbrunnen zu tragen.
Diese Version wurde z.B. auch auf dem Notgeld im Jahr 1920 festgehalten (siehe Abbildung links).
Auch eine dritte Herleitung ist denkbar: außer dem oben erwähnten Zusammenhang mit dem Bräutlingsbaden als sog „Initiationsritus“ zur Aufnahme Zugezogener kann es auch einfach ein Verabschiedungsbrauch gewesen sein, mit dem die ledigen jungen Gesellen einen der ihren nach seiner Heirat in seinen neuen Lebensabschnitt verabschiedeten.
Dort und auf einer Postkarte von 1948 steht geschrieben:
Einscht hot onser Ländle so hoimg’sucht der Schwed’,
Daß Koiner hot Luscht meh’ zum Heirata g’hett,
der Erscht der’s probiert hot in selbiger Zeit,
Den hot ma vor Freud um de Brunna rom trait.
Doch heut z’Tag isch umkehrt do hot mancher Bua,
d’Luscht wohl und s’Mädle, – koi Geld doch dazua,
koi Wohnung, nix z’essa, – koi Kinderwiag,
– ‘s ischt schlimmer als wia noch dem Schweda Kriag.