Geschichte

Wie alles entstand

Die Geschichte unserer Narrenzunft

Herzstück der “Semmerenger Fasnet” ist das Historische Bräuteln am Fasnetsdienstagmorgen.
Nach alter Überlieferung ist es nach dem 30-jährigen Krieg entstanden.

Die Bevölkerung habe, von Not geplagt, die Lust selbst am Heiraten verloren. Als sich schließlich doch einer der jungen Burschen traute, zu heiraten, hätten ihm seine Kameraden versprochen, ihn an der Fasnet auf einer Stange und unter den Klängen von Trommeln und Pfeifen um den Marktbrunnen zu tragen. Tatsächlich geht der Brauch aber wohl auf ältere Vorbilder zurück, die in Sigmaringen schon Ende des 16. Jahrhunderts erwähnt werden. In seiner jetzigen Form läßt sich das Bräuteln mit Sicherheit seit dem Jahre 1723 belegen. Grüne, silberne und goldene Hochzeiter sowie Zugezogene, die sich dem Ehejoch bereits auswärts gebeugt haben, sind all jährlich eingeladen, den Ritt auf der Stange zu wagen.

“Semmerenger Fasnet”, das ist aber nicht nur das Bräuteln. Dazu gehört ein bunter Reigen von Veranstaltungen zwischen “Auseliga” und Fasnetsdienstag. “Auseliga” heißt in Sigmaringen der “Schmotzige Donnerstag”, was soviel bedeutet wie “unselig” oder “unsinnig” närrisch eben. Die Fasnet lebt vom Engagement vieler, von Sigmaringer “Originalen” genauso wie von den verschiedenen Vereinen und Gruppen.

Der Pflege dieser traditionellen *heimischen Fasnet hat sich die 1912 gegründete Narrenzunft Vetter Guser verschrieben. Ihr Name ist Programm. Er entstammt dem Reich der Fabel wonach ein Fuchs als “Vetter” der Gänse diese belehrt mit ihnen “Vetterles” spielt, sie zum Narren hält’, was ihnen natürlich zuletzt den Kragen kostet.

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Vorspiel zum Historischen Bräuteln ist die Übergabe der Bräutlingsstange an die Bräutlingsgesellen am Fasnetssonntagmorgen auf dem Marktplatz. Damit übernehmen die Narren die Macht in der Stadt, und der Bürgermeister wird abgesetzt. Wird im schwäbisch-alemanischen Raum die beginnende Fasnet allgemein mit dem ‘Ruf ‘s goht dagega!” begrüßt, so ergänzt man in Sigmaringen mit ‘Jetzt ischt Fasnet wieder komma’. Der Satz entstammt der Weisung an die Bräutlingsgesellen, die Jahr für Jahr ergeht:

”Jetzt ischt d`Fasnet wieder komma
Voller Luscht und Narretei
D’Stang und d`Fahn han mr gnomma
Wia des Brauch von alters sei!
Wia vor viela hundert Johra
Wo der Brauch entstande ischt
Gschiehts au heut, wo’s Fasnet wora
Dass der Brauch jo it verlischt.”

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Nach einem Rundtanz mit der Stange durch den obersten Gesellen beginnt das Laden der Bräutlinge im ganzen Stadtgebiet durch die Bräutlingsgesellen.

Der Spielmanns- und Fanfarenzug der Narrenzunft Vetter Guser ist inzwischen über 25 Jahre alt und zu einer festen Institution der “Semmerenger Fasnet” geworden. Darüber hinaus vertritt er Zunft und Stadt bei musikalischen Auftritten auch während des Jahres.

Die älteste Sigmaringer Fasnetsmaske ist die Traditionsfledermaus. Sie stammt aus dem vergangenen Jahrhundert. Damals war die Fasnet in Sigmaringen reine Männersache. Doch die braven Bürgersfrauen, so wird erzählt, hätten es satt gehabt, alleine zu Hause zu bleiben während die Herren der Schöpfung sich vergnügten. Um zu beobachten, was diese so trieben hätten sie beschlossen, sich zu maskieren. Die Mittel hierzu waren rar. So zog man über das damals übliche, schwarze Kleid ein großes Schultertuch und eine Spitzengardine. Beides wurde über dem Kopf zu zwei Fledermausohren gebunden und mit bunten Bändern geschmückt. Die Flügel bildete der über die Schultern und Arme reichende Schal.

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Bis ins Spätmittelalter zurück reicht die Figur der Bräutlingsgesellen. Ledig müssen sie sein und um die 20 Jahre alt, Bürgersöhne von Sigmaringen. Ihnen obliegt die ehrenvolle Aufgabe des Bräutelns. Gekleidet, sind sie in weiße Hemden und schwarze Kniebundhosen,- mit den roten Hosenträgern und dem roten Halstuch sowie. einem Dreispitz auf dem Kopf von weitem zu erkennen.

An die Traditionsfledermaus angelehnt ist die Tiermaske der braunen Fledermaus. Sie trägt eine Holzlarve und am Häs breite Fledermausflügel. Die “kleine Fledermaus” wurde an der Fasnet 1965 erstmals vorgestellt. In dieser Gruppe versammelt sich der “Narresoma”, angeführt von der Fledermausmutter.

Vor wenigen Jahren nach historischen Vorbildern wiederbelebt wurde die Figur des Schlossnarro der Narrenzunft Vetter Guser. Farbe und Aussehen seines Gewandes gehen auf die italienische Commedia de’ll’arte des 16. Jahrhunderts zurück. Gute Gründe lassen deren Einfluß über den hohenzollerischen Fürstenhof auf die “Semmerenger-Fasnet” annehmen. Besonderheit der Maske des Schlossnarro, ist die offene Mundpartie. Schwäbisch-alemannisch ist der große Schellengürtel. Als Utensilien führt der Schlossnarro die Streckschere, Pritsche, Brezelstange oder Narrenspiegel mit sich.

”Freut Euch des Lebens,
Semmerenger Mädle hand Peterla a.
Älles ischt vergäbens,
koine kriegt koin Ma.
Ond wenn sich die Mädle
mit Spitza garnieret,
ond wenn se dia Preißa
am Arm romfiehret.
älles ischt vergäbens,
koine kriagt koin Ma!”

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Diese Sigmaringer-Version des von dem Schweizer Georg Nägeli komponierten Liedes hallt in den Fasnetstagen aus allen Winkeln und Gassen der Stadt. Sie hat den Rang einer heimlichen Hymne und erinnert nebenbei an die preußische Vergangenheit der Hohenzollernstadt. Wie die doppelte Verneinung im letzten Satz zu verstehen, ist dies mag der geneigte Leser bei einem Besuch der “Semmerenger Fasnet” selbst herausfinden!